Großeinkauf in Gerblingerode

Jahrelang hatten sich die Einwohner des Dorfes einen Tante-Emma-Laden gewünscht.
Jetzt haben sie eine Aldi-Filiale auf 800 Quadratmetern.

Samstag,11. März2023 Eichsfelder Tageblatt von Nadine Eckermann

Ein Aldi im 1800-Seelen-Dorf: Ortsbürgermeister Christian Wüstefeld sieht mehr Vor- als Nachteile. Vor allem gebe es jetzt wieder eine Einkaufsmöglichkeit vor Ort.foto: Nadine Eckermann

Gerblingerode. „Guten Tag. 34,60 Euro, bitte“, sagt die freundliche Frau an der Kasse. „Kommen Sie auch aus Gerblingerode?“, fragt sie, während Christian Wüstefeld seine Karte an das Lesegerät hält, um seine Einkäufe zu bezahlen. „Ich bin der Ortsbürgermeister hier, hallo“, stellt er sich freundlich vor, und die Kassiererin nickt anerkennend. „Aldi sagt danke“, kommentiert sie, als sie ihm den Kassenzettel reicht und verabschiedet sich. Wüstefeld ist einer von vielen Gerblingerödern, die die neue provisorische Filiale des Discounters angesteuert haben, die sich jetzt in einem Zelt an der Teistunger Straße befindet.

Zuvor hatte Wüstefeld sein Auto auf dem großen Parkplatz abgestellt und sich einen Einkaufswagen geschnappt – Milch, Saft und ein bisschen Schokolade mit ganzen Nüssen sollten in den kommenden 30 Minuten ihren Weg erst in den Korb und über das Kassenband finden. „Parken kann man hier prima“, sagt eine Kundin im Vorbeigehen und schiebt ihren Wagen flotten Schrittes in das Geschäft. Drinnen angekommen, plaudert eine andere ein bisschen mit dem Ortsbürgermeister und kündigt schließlich lächelnd an: „Jetzt kann ich jeden Tag einen kleinen Spaziergang machen und meine Einkäufe dabei erledigen.“ Die Betreiberin des benachbarten Hotels und Restaurants flitzt nur kurz durch den Markt, schnell ein Bund Petersilie holen, das zum Kochen fehlt. Auch sie nimmt sich kurz Zeit für einen Plausch mit dem Ortsbürgermeister. Thema: Natürlich Aldi, der neue „Dorftreff“.

Keine Einkaufsmöglichkeit mehr in Gerblingerode

Für die Menschen im Ort scheint sich mit dem provisorischen Supermarkt auf dem „Grenzparkplatz“ kurz vor Teistungen ein lang gehegter Wunsch zu erfüllen: Endlich wieder einkaufen im Ort. „Wir hätten so gern wieder ein kleines Geschäft“, „dem Schlecker trauern wir heute noch nach“, „ein Dorfladen, das wäre etwas für uns“ – seit der Schließung der Filiale der Drogeriekette Schlecker habe er Sätze wie diese immer wieder gehört, sagt Wüstefeld. Deshalb habe er sofort zugesagt, das Vorhaben „Aldi im Zelt“ zu unterstützen, als die Stadt Duderstadt ihm von den Umzugsplänen des Discounter-Riesen in das Ausweichquartier auf dem Dorf berichtet habe. Unterstützung habe es auch gleich innerhalb der ganzen Fraktion gegeben, sodass nun Aldi den Parkplatz gepachtet hat, um dort in den kommenden sechs bis acht Monaten seine Waren anzubieten.

„Von mir aus kann das Zelt auch noch länger stehen bleiben“, sagt Wüstefeld und lacht. Immerhin stehe das Ortsjubiläum in vier Jahren bevor, für die 875-Jahrfeier könne man es gut gebrauchen, sagt er scherzhaft. Viel schöner wäre es allerdings, wenn die Menschen im Ort langfristig eine kleine Einkaufsmöglichkeit hätten. Die „Mannamia“-Filiale der Bäckerei „Ruch“ am Ortseingang sei schon ein großer Gewinn für die Gerblingeröderinnen und Gerblingeröder. Jetzt fehle nur noch ein kleiner Tante-Emma-Laden oder zumindest ein Automat fürs Nötigste. Vor Jahrzehnten habe es einen kleinen Laden außer dem Schlecker gegeben, doch in den vergangenen Jahren sei die Kundenfrequenz den Händlern zu gering gewesen. Daher denke man eher über kleine Lösungen nach, sagt Wüstefeld.

Und nun gleich ein Aldi. In einem Dorf mit rund 1800 Einwohnern und einer Fläche von nicht einmal drei Quadratkilometern. Bringt der nicht auch Unruhe und Lärm mit sich? Das werde sich zeigen, bleibt Wüstefeld entspannt, schließlich sei das Provisorium ja in ein paar Monaten wieder weg. Falls es einmal mehr Straßenverkehr geben sollte oder mehr Lärm als sonst, würden die Bewohnerinnen und Bewohner des Dorfes sicher mit Toleranz reagieren, glaubt er. Außerdem denkt der Ortsbürgermeister: „Es wird sich relativieren.“

Die Menschen, die aus dem benachbarten Thüringen sonst nach Duderstadt zum Einkaufen gefahren wären, führen jetzt nicht mehr durch den Ort. Und: Ein wenig Aufmerksamkeit sei ja auch nicht das Schlechteste. Vielleicht finde ja jemand Gefallen an einem Ort, den er sonst gar nicht wahrgenommen hätte? Vielleicht zeige sich Aldi erkenntlich und unterstütze die Vereinsarbeit im Dorf mit Sponsoring? Vielleicht bedenke die Stadt Duderstadt den Wunsch Gerblingerodes, die Spielplatz-Ausstattung zu verbessern, mit Blick auf die Einnahmen durch die Aldi-Miete für das Grundstück? All das werde sich zeigen.

Aktuell sei er erst einmal froh, dass der Zeltbau so schnell und reibungslos über die Bühne gegangen sei und mit der Dorf-Alternative die Beschäftigten der Duderstädter Aldi-Filiale einfach weiterarbeiten könnten. Außerdem seien die Gerblingeröderinnen und Gerblingeröder glücklich, endlich wieder einen Laden zu haben – wenn auch zunächst nur auf Zeit.